Neuerwachtes Interesse an der Seele

Daniel Hell im Gespräch mit Christoph Sigrist, Pfarrer des Grossmünsters in Zürich

Wenn Menschen in Umbruch- oder Krisensituationen an ihre Grenzen stossen, suchen sie Hilfe bei Angehörigen, Freundinnen und Freunden, immer häufiger auch im Internet oder in Sachbüchern. Wenn die Not gross ist, wenden sich manche auch an ärztliche und nicht ärztliche Psychotherapeuten und Seelsorger. An wen ist letztendlich eine sehr persönliche und von individueller Erwartung geleitete Entscheidung. Sowohl von Psychotherapie wie Seelsorge erhofft man sich Verständnis, Begleitung, kompetente Hilfe, auch Lösungsvorschläge oder gar Erleuchtung. Beide Disziplinen befassen sich mit der Seele bzw. Psyche des Menschen, beide zielen auf ihren Schutz, ihre Heilung oder  ihre Entwicklung ab, beiden ist eine gute Kommunikation und Beziehungsgestaltung wichtig. Als wesentliches unterscheidendes Merkmal kommt in der Seel sorge die Transzendenz hinzu.

Ist der Begriff «Seele» überhaupt noch zeitgemäss? Träfe die Rede vom «Selbst» es nicht besser? Wer ist für was «zuständig»? Können sich Seelsorge und Psychotherapie auch ergänzen? Sind Psychotherapeuten in Zeiten der Kirchenaustritte die neuen Seelsorger? Gelingt Seelsorge auch ohne die Dimension der Transzendenz? Berücksichtigt Psychotherapie die Sinnfrage und wie steht sie zu Religiosität?