Die Macht der Kränkung und das Wunder der Wertschätzung

Daniel Hell im Gespräch mit Dr. Reinhard Haller, Psychiater, Psychotherapeut und Neurologe

Kaum ein Konflikt, der nicht auf Kränkungen zurückzuführen ist. Kränkungen trüben unser Lebensglück, beeinflussen Stimmung und Motivation. Kränkungen treffen das Individuum in seinem Innersten und führen oft zu einer nachhaltigen Erschütterung des Selbst und seiner Werte.

Im Kontrast dazu steht die Wertschätzung. Wir alle wissen aus eigener Erfahrung, wie gut es sich anfühlt, wenn uns Anerkennung und Achtung entgegengebracht werden, wenn wir positive Zuwendung, Lob und Dankbarkeit erfahren. Dennoch hat Wertschätzung einen Kurssturz erfahren. Emotionale Kühle, Geringschätzung, destruktive Kritik, Zynismen, Kränkungen und Entwertung nehmen in unserer Gesellschaft zu. Skandalberichte sind gefragt, Fake News haben Konjunktur, Hass-Postings vergiften das Internetklima. Viele Menschen verdrängen ihre Gefühle oder zeigen sie weniger – nicht mehr echt, oft nur mit gekünsteltem Affekt. Die Differenziertheit menschlicher Emotionalität nimmt tendenziell ab: Smiley statt feinem Lächeln, Emoticon statt Gefühlstiefgang.

Der Mensch aber ist und bleibt ein liebes- und achtungsbedürftiges Wesen. Kränkung kann ihn krank machen. Er braucht positive Bestärkung zur Entwicklung eines starken Selbstbewusstseins, auch zur Bewältigung von Krisen und Belastungen. An den emotionalen Grundbedürfnissen des Menschen, an seiner Sehnsucht nach Zuwendung, seinem Urverlangen nach Sympathie und Mitleid hat sich nichts geändert.

Diese Sachlage wurde im Gespräch erörtert und diskutiert, welche Lösungen sich für uns ergeben. Wie können wir beispielsweise konstruktiv mit Kränkungen umgehen?